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to the land of plenty

RDF - Land unter, abgesoffen

RDF (Rain-Drizzle-Fog) nennen die Menschen aus den Atlantischen Provinzen solches Wetter im Juni, dem wir meinten entkommen zu sein, das uns aber am St Lorenz Strom einholt. Zwar haben wir auf dem Kai von Pointe-au-Père nahe Rimouski/Québec, wo auch das U-Boot Onondaga (Bild, Karte) immer in unserem Blickfeld liegt, einen Logenplatz, an dem der mächtige Strom an unserem Lasterfenster vorbeiwalzt - braun, schwer und dominant, alles klein machend oder neblig auslöschend, was nicht er selbst ist, den Himmel, den Horizont, den Leuchtturm, den Hafen und die Menschen, die ihm nur geschützt begegnen können (#1, #2, #3); aber wie so mancher Einheimische warten auch wir sehnlichst auf Sicht und besseres Wetter, um in den Parc du Bic, eine einzigartige Inselwelt, 25 km von Rimouski entfernt, einzutauchen, sind aber letztendlich ganz froh ob der Zwangspause nach 50 Tagen ununterbrochenen Unterwegs-Seins und 8.000 gefahrenen Kilometern, da doch einiges liegengeblieben ist. So verfallen wir nicht in Tristesse, sondern entschleunigen nur ein wenig, kochen fein, z.B. Bratwurst mit Blaubeeren und Ahornsaft, beim Braten karamelisierend, und nehmen die Annehmlichkeiten der Stadt in Anspruch.

Zuvor:
In Northumberland und New Brunswick blühen die wilden Azaleen und der Löwenzahn, der Sauerampfer treibt seinen roten Blütenstand hinaus, der Rhabarber zeigt seine weiße Blütenrispe eher zögerlich, die Fliederblüte ist ein wenig zurückgeblieben, die Kastanien tragen aber bereits stolz ihre Kerzen, Apfel- und Birnbäume mit ihren rosa und weißen Blüten stehen im Saft, die Temperaturen steigen auf um die 20°.
In Neguac, der Austernhauptstadt von New Brunswick, treffen wir auf Medric und Rose Marie, die uns die schöne Hay Island als Nachtstandplatz empfehlen und uns sogar mit ihrem Pkw dorthin führen. Nicht genug der Gastfreundlichkeit, sie laden uns für den Abend in ihr Haus ein, wo wir miteinander vielleicht 40 fangfrische Austern einfach gewissenlos hinabschlürfen. Dann machen die beiden zwei Einmachgläser mit Fiddle Heads, einer farnartigen Pflanze aus den Wetlands auf, erwärmen sie, verfeinern sie mit Butter - und wieder lacht der Gaumen. Immer noch nicht genug: Raisin Pie, eine NB-Spezialität, muss probiert werden, begleitet von schwarzem Tee mit Milch. Erst weit nach Mitternacht kehren wir zum arkadischen Leuchtturm in den Marschen von Neguac zurück.

Medric and Rose Marie,
Thank you for your welcome in your house, your great hospitality and the 4-course menu we enjoyed together. Thanks also for the 16 oysters, the glass of fiddle heads and the creamy butter we can now call our own. But most of all: Thanks to the two of you for the inspiring and informative company, for exchanging German and Canadian living-conditions and sharing our lives.
Thomas and Verena

    Infos für Nordamerikareisende:
  • Sowohl in Nova Scotia als auch Neufundland ist das Trinkwasser UNSAFE, weil es den Biber-Erreger enthält, der anscheinend im Kot des Tieres, das in den Sumpfgebieten überall seine Dämme baut, befindlich ist. Deshalb muss alles Wasser vor dem Gebrauch mindestens 5 bis 7 Minuten abgekocht werden. Es gibt hier und da in den Ortschaften Tankstationen, wo man Trinkwasser bunkern kann. Sie sind als solche angezeigt. In der Provinz Quebec gibt es überall und nur noch Trinkwasser.

  • Die besten und billigsten Kabeljaufilets bekommt man in Neufundland in den kleinen Convenience Stores an der Straße.

  • In Nova Scotia, PEI, Neufundland und New Brunswick gibt es für Wein-, Bier- und Cocktailliebhaber separate Liquor Shops, in der Provinz Quebec natürlich nicht mehr. Die frankophilen Kanadier pflegen das Savoir-Vivre nach Maßgabe ihrer europäischen Vorfahren, weshalb Wein zum ausgesucht-edlen Nahrungsmittelangebot einfach dazugehört. Auch „französisch“ ist, dass man wie in Frankreich überall frei stehen kann: am Meer, an den Seen, am Fluss, in den Parks, in den Bergen. Es gibt nur wenige „no-overnight-camping-signs“. Die größeren Städte stellen neben Standplätzen für Motorhomes sogar Dumping Stations und Trinkwasser zur Verfügung. So zeigt sich der Grande-Nation-Ableger in der Neuen Welt ausgesprochen großzügig gegenüber dem Reisenden, nicht jedoch gegenüber Anderssprachigen: Quebec-Kanadier bleiben frankophon, also sprachlich unter sich und verkaufen eher französische, nur bedingt kanadische Weine. Die akadischen, „evangelinen“ Gemeinden in Atlantic Canada sind noch einmal abgeschotteter gegen alles Fremde und Fortschreitende, verbieten sich oft selbst jeden Außenkontakt, hissen dagegen unermüdlich und überall die akadische Flagge, streichen Stühle, stricken Wasser-Cooler in den akadischen Farben und verzieren in den Städten Strommasten mit Pappkartongemälden und Botschaften arkadischen Inhalts.

  • Straßenkarten und Reiseinfo-Broschüren gibt es kostenfrei in den Visitor Information Centres an der jeweiligen Provinzgrenze.

  • Wäschewaschen geht in Atlantic Canada am angenehmsten und billigsten in den Provincial Parks mit Laundry, wo man gleichzeitig free WiFi und die notwendigen Washrooms hat.

Bemerkenswertes:
Des Kanadiers 3 größte Leidenschaften sind sein Motorrasenmäher, mit dem er seine weitläufigen Englischen Rasen in Schuss hält, sein Pickup-Truck, mit dem er alles, selbst das abendliche Sightseeing ans allgegenwärtige Wasser unternimmt, und sein Motorhome, in dem er mehr hat als in seinem Haus, nämlich Platz, ein gleichbleibendes, moderates Klima, ein modernes Abwasser-System, einen Breitbildfernseher und amerikanische Holzfeuerromantik mit Gleichgesinnten und Hillbillymusik.

Erstellt am Sonntag, 12. Juni 2016
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