Bundeswasserstraße Neckar

Samstag, 27 April 2019

Lebensader für die schwäbischen mittelständischen Unternehmen und attraktives Revier für Sportbootschiffer

Der Neckar entspringt im Schwenninger Moos auf der Baar, dem Sibirien Deutschlands bei Villingen-Schwenningen. Von Plochingen bis zu seiner Mündung in den Rhein bei Mannheim ist der Fluss auf 202 Kilometern schiffbar und damit Teil eines weit verzweigten Wasserstraßennetzes. Er hat eine durchgehende Fahrrinnentiefe von 2,8 Metern, 27 Schleusen und überwindet auf seinem Lauf 617 Höhenmeter. Pro Jahr werden etwa 7,5 Millionen Tonnen Güter auf dem Fluss transportiert, entsprechend ca. 400 000 LKW-Ladungen auf Fernstraßen. 8 Stunden braucht die Löschung der Ladung eines Schüttgutfrachters, wie wir im Wormser Floßhafen mit eigenen Augen sehen.

Nach der Winterpause ist unser Boot bereit zum Einsatz: Unser IT-Uli hat es zusammen mit seinem Sohn Eric ordentlich verkabelt und in seiner Funktion optimiert bzw. perfektioniert, wie es halt so Ulis Art ist. Das Material, schubkarrenweise zum Boot transportiert, war immens: dicke Kabel, dünne Kabel, Kabelbinder, Kabelschuhe, Kabelschellen, Kabelklemmen, Isolierband, LEDs in allen Varianten für Kombüse, Salon, Motorraum und Eignerkabine (Nur der Innenraum des Kühlschranks leuchtet noch nicht, wenn der Deckel gehoben wird!), Ladewandler, Batteriecomputer zur Erfassung des Ladezustands der Versorgungsbatterie, Schwanenhalsleuchte mit USB-Anschlüssen, Batterietrennschalter zum Koppeln der Bord- und Starterbatterie, komplette Trennung der beiden Kreisläufe, neuer Schalter für die Bilgenpumpen ...
... und dann hing der Mensch in unendlicher Geduld über dem bunten Kabel- und Drahtsalat (#1, #2) und brachte Ordnung in das über 3 Jahrzehnte gewachsene Gewirr. Dafür war es notwendig, Durchführungen für Kabel zu bohren und Kabelschuhe mit einer Crimpzange so groß wie ein Wantenschneider zu pressen. Manchmal entstand inmitten der Arbeit ein kleines Fest, denn am Main in der Sonne Weißwürste mit süßem Senf, Salzbutter und Brezel zu essen, dazu ein eiskaltes Schöfferhofer Hefeweizen zu trinken, fanden wir alle gaaanz, gaaanz groß (Bild). Unter anderen war dieses Hausboot-am-Fluss-Feeling-Genießen-mit-Freunden ein Grund für die Entscheidung, das Boot ein Jahr später als ursprünglich geplant in die Ägäis zu überführen. Und - Toms Mutter feiert Mitte Mai ihren 95sten Geburtstag, weshalb die Zeit für die über 1000 Flusskilometer lange Tour auf den französischen Kanälen nicht realisierbar war. So fällt schließlich die Entscheidung für den Neckar: 645 km von Mainkur nach Mainkur sind zu fahren, davon 50 km auf dem Main, 70 km auf dem Rhein und 202 auf dem Neckar, das alles retour; 62 Schleusen sind zu meistern, davon 4 auf dem Main, keine auf dem Rhein und 27 auf dem Neckar, auch das zweimal.

Logbuch

vor dem Neckar

Tag 1, Mi, 17.4.2019
Übernachtung in der Schleuse Mainkur, wo die Akina im Schwell und Sog der vorbeifahrenden Frachtschiffe an den Klampen reißt, wenn sie nicht unterwegs ist

Tag 2, Do, 18.4.
11 h Mainkur ab, bei KM 497 auf den Rhein, dann 3 km rheinabwärts bis zum Liegeplatz Mainz/Zollhafen, an 18.30 h
= 52 km, 4 Schleusen:

  • Offenbach bei KM 38.5, Fallhöhe 3.2 m, Fon 06181 92338110
  • Griesheim bei KM 28.7, Fallhöhe 4.5 m, Fon 069 6786887310
  • Eddersheim bei KM 15.6, Fallhöhe 3.6 m, Fon 069 6786887210
  • Kostheim bei KM 3.2, Fallhöhe 2.4 m, Fon 069 6786887110

zum Anmelden im Zollhafen: hafenmeister@marina-zollhafen.de

Tag 3, Fr, 19.4.
Spaziergang am Rhein entlang zur Mainzer Altstadt (#1, #2). Im Anschluss begehen wir im wahrsten Wortsinn das hippe, neu entstehende Wohngebiet „Zollhafen“, abends bei Vollmond unvergleichlich. Die ovalen Wohnblocks am Rhein mit Blick auf den Fluss, aber noch einmal mehr die mit Blick auf den Binnenhafen, die im Spitz zwei Balkone haben, sind einfach genial, ohne bislang sichtbare Begrünung pure Architektur. Es ist Sommer in D, denn im Boot hat es 30 Grad, in der Stadt 26. Da kann Kreta mit seinen 16 wirklich nicht mithalten.

Tag 4, Sa, 20.4.
12 h Mainz ab, bis KM 466 den Rhein hinauf, Liegeplatz: Eicher See/ MSC Gernsheim, an 17.30 h, Fon Hafenmeister 01772572417
= 35 schleusenfreie km
Aufgrund der Sommertemperaturen ist der Rhein ein einziger Freizeithotspot mit sandigen Uferstränden, Badenden, Anglern, Joggern, Radfahrern, Jetskiern, Jollenseglern, Paddlern, Rudermannschaften und Macho-Rasern mit Freundin. Einer bringt es knüppelhart in seiner Unbekümmert- und Unwissenheit: Er liegt tatsächlich mit seinem Boot mitten in der Fahrrinne zwischen roter und grüner Tonne vor Anker und trinkt genüsslich sein Feierabendbier; sein Freund ist anders gepolt: er liegt pudelnackig mit tiefenentspanntem Penis auf dem Bug und sonnt sich. Er will halt nahtlos braun werden. Da ist die Berufsschifffahrt, die weder bremsen noch ausweichen kann, überhaupt gar kein Gegenargument!!!

Tag 5, So, 21.4.
11 h Eicher See ab, auf dem Rhein bis Worms, Liegeplatz: Floßhafen Worms bei KM 443, an 14.30 h
= 23 schleusenfreie km
Der Winterhafen, an dem wir ursprünglich anlanden wollten, ist verkauft und nun private Marina ohne Gastliegeplätze; deshalb der Floßhafen, was wir aber nicht bereuen, denn der Industriehafen ist durchaus ästhetisch mit seinen zwei Riesenurviechern von Kränen, die darauf warten, anderntags Sand und Kohle aus den zwei an der Kaimauer vertäuten Frachtern zu hieven. Hier stoßen Marion und Bernd für eine Nacht und einen Tag zu uns. Nach einer Kurzeinweisung ins Bootsleben und nachdem wir von elwis.de erfahren haben, dass die Neckarschleusen am Ostersonntag und -montag außer Betrieb sind, beschließen wir ein Alternativprogramm:

Tag 6, Mo, 22.4.
Die Buga Heilbronn ist recht mäßig und keine Reise wert. Auf der früheren Industriebrache, die nun Ausstellungsgelände ist, sind 22 Wohnkomplexe in „verdichteter Bauweise“ mit 3500 Wohn- und 1000 Arbeitsplätzen entstanden. Dafür gebe es in dem späteren Wohnquartier großflächige Grünflächen und Seen, sagt der Geschäftsführer des Projekts. Bereits 400 Menschen lebten hier. Uns gefallen nur die Plastikskulpturen der Badenden (#1, #2), ein paar Blumenarrangements, künstlerisch mit grün lackierten Bambusstangen in Szene gesetzt oder im Verbund mit urbanem Wohnen präsentiert, und der Bootsshuttle, der die Besucher auf dem Altneckar zu Interessensspots hinab und hinauf bringt. Die „Bauzäune“ als abgrenzende oder betonende? Interessensinseln sind nicht nach unserem Geschmack, behindern sie doch den Endlosblick auf das Ganzwerk.